Neue Serie: Ohne Worte – Teil 1

Ohne Worte Teil 1 – Was unser Gesicht verrät…

Schon vor 2000 Jahren schrieb der römische Schriftsteller Cicero: Das Gesicht ist der Spiegel der Seele. Dieser Satz beinhaltet die These, dass menschliche Gefühle und Stimmungen meist im Gesicht widergespiegelt sind und von anderen wahrgenommen werden können. Das Gesicht offenbart hauptsächlich sechs verschiedene Emotionen: Angst, Furcht, Glück, Trauer, Überraschung und Abscheu. In der Realität treten diese verschiedenen Basis-Emotionen selten in reiner, meist in mehr oder minder gemischter Form auf: z.B. Überraschung mit Furcht. Außerdem kann jede Emotion sehr unterschiedliche Ausprägungsgrade aufweisen. Obwohl es somit nur wenige Basis-Emotionen gibt, findet sich im Alltag aufgrund der vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten und Ausprägungsgrade eine unendliche Vielfalt von Gesichtsausdrücken. Eine weitere wichtige Frage ist, ob die verschiedenen Gesichtsausdrücke tatsächlich auch die zugrundeliegenden Emotionen zum Ausdruck bringen. So gab man Versuchspersonen die Aufgabe, in sehr unterschiedlicher Weise die Gesichtszüge zu verziehen: z.B. die Stirn zu runzeln. Indem sie die Gesichtszüge nach Vorgabe veränderten, wurden die einhergehenden physiologischen Reaktionen (wie Herzschlag, Atmungsfrequenz usw.) aufgezeichnet. Außerdem berichteten die Personen darüber, welche emotionalen Erfahrungen sie dabei machten, was ihnen durch den Kopf ging. Es zeigte sich, dass die so initiierten Veränderungen der Gesichtszüge mit charakteristischen physiologischen Veränderungen einhergingen. Der Gesichtsausdruck von Angst beispielsweise war begleitet von höherer Herzschlagfrequenz und kürzeren Atmungssequenzen. Außerdem – und dies war das Kernergebnis -, je deutlicher die Bewegungen der Gesichtszüge mit spezifischen Emotionen verbunden waren, um so deutlicher berichteten die Personen entsprechende Emotionen (Levenson 1992).

Gesichtszüge sollen sich übrigens auch auf die Intelligenzleistung auswirken: Machen Sie mit einem Partner ein  Experiment: Schauen Sie einmal so richtig gelangweilt, lassen den Unterkiefer hängen – atmen Sie dabei durch die Nase, sonst gähnen Sie. Lassen Sie sich nun in diesem Zustand von Ihrem Partner eine nicht zu leichte Rechenaufgabe stellen, z.B. wie viel ist 13 mal 25? Sie werden überrascht sein, wie schwer es fällt, mit diesem Gesichtsausdruck zu denken. Oder versuchen Sie es umgekehrt mit einem Partner, dem Sie vorher nicht sagen, worum es geht und stellen Sie die Rechenaufgabe…

Gibt es so etwas wie eine Universalität von Gesichtsausdrücken? Angenommen, man reist in ferne Regionen der Erde und gelangt zu einem Volk, das bislang mit der westlichen Kultur kaum in Berührung gekommen ist. Würden deren Gesichtsausdrücke denen ähneln, die wir aus unserem Miteinander kennen? Würden die Menschen gleichermaßen lachen oder lächeln, wenn sie Dinge erleben, die sie glücklich machen. Würden sie eine uns vertraute Mine der Ärgerlichkeit zeigen, wenn sie Dinge erfahren und erleben, die sie verärgern? Die bisherigen Forschungsergebnisse bestätigen diese Frage im wesentlichen. D.h. die uns bekannten Basis-Emotionen und ihre korrespondieren nonverbalen Ausdrucksformen finden sich so gut wie in allen menschlichen Kulturen. Menschen unterschiedlichster Kultur und Region zeigen sehr ähnliche Gesichtsausdrücke für Situationen, die ähnliche Gefühlsreaktionen hervorrufen. So beobachtete man beispielsweise Menschen in abgelegenen Regionen von Neu-Guinea, wie sie auf verschiedene Situationen reagieren, z.B. wenn sie ein totes Tier finden, das bereits seit mehreren Tagen in der Sonne lag; z.B. wenn ein Freund sie besucht. Die gefundenen und fotografisch festgehaltenen Gesichtsausdrücke ähneln denen sehr stark, die wir selber in entsprechenden Situationen zeigen. Ergebnisse dieser Art wurden in vielen weiteren Untersuchungen im wesentlichen bestätigt. Sie legen die Annahme nahe, dass Menschen sehr unterschiedlicher regionaler oder kultureller Herkunft sehr ähnliche Gesichtsausdrücke zeigen.

Dennoch sind diese Gesichtsausdrücke keineswegs ganz identisch. Jede Kultur hat ihre eigene Darstellungsregeln. Beispielsweise gilt es in vielen asiatischen Ländern als rüde und unangemessen, jemandem direkt zu widersprechen oder für seine Handlungen seine Missbilligung auszudrücken. In den westlichen Ländern sind offene Missbilligung und Widersprechen durchaus üblich und gelten keineswegs als prinzipiell unangemessen. Soweit allerdings solche Darstellungsregeln nicht greifen und den nonverbalen Ausdruck modifizieren, ist die Verbindung zwischen spezifischen Emotionen und Gesichtsausdruck doch recht universal. Das gleiche lässt sich auch in Bezug auf das Erkennen und Deuten solcher Gesichtsausdrücke sagen. Auch sie finden sich universal. Wenn man Personen, die in sehr unterschiedlichen Regionen dieser Erde leben, Fotos mit Menschen sehr unterschiedlicher Gesichtsausdrücke vorlegt, die Angst, Furcht, Glück, Trauer, Überraschung und Abscheu zum Ausdruck bringen, können sie recht gut die zugrundeliegenden Emotionen erkennen und beschreiben. Beispielsweise ein Stirnrunzeln wird durchgängig als Zeichen von Ärger wahrgenommen und erkannt.