Weiterbildung – warum eigentlich?!

Weiterbildung – warum eigentlich?!

In manchen Berufsgruppen ist es gar keine Frage, ob Weiterbildungsangebote wahrgenommen werden: Lehrer müssen ihr pädagogisches und ihr Fachwissen permanent auf dem Stand des neuesten Lehrplans halten; Anwälte müssen im aktuellen Recht selbstverständlich bewandert sein und auch Arbeitnehmer in Berufen, in denen immer wieder neue Technik auf den Markt kommt wie Intensivpfleger oder Vermessungstechniker müssen ihr Wissen ständig erweitern und erneuern. Die Aufzählung wäre fortzusetzen.

Aber bei vielen anderen Menschen ist die Situation nicht so eindeutig. Sie haben schon ein langes Berufsleben hinter sich: Da war die Ausbildung, die Lehre, bei anderen das Studium, die vielen Jahre im Büro oder im Betrieb, in denen man sich vielleicht sogar hochgearbeitet hat – warum also sollte man an dieser Stelle noch einmal anfangen, etwas Neues zu lernen? Tatsächlich zeigt sich die Gruppe der über Fünfundfünfzigjährigen auf dem Weiterbildungssektor in Deutschland klar unterrepräsentiert.
Andere kommen vielleicht gerade frisch von der Uni – vier, fünf Jahre lang studiert, gerade über den Bachelor gefreut: Warum soll ich da gleich weitermachen? Ich habe doch jetzt einen Abschluss! Auch hier deckt sich die Aussage mit der Statistik: Nur 34 Prozent der unter 25-Jährigen nahmen 2005 an Weiterbildungsangeboten teil.
Und wieder andere haben sich ein vollständiges Leben zuhause eingerichtet. Haben vielleicht Kinder, sind eigentlich ausgelastet mit ihrer Eltern- und Haushaltstätigkeit. Ist es da denn so unbedingt nötig, sich noch einmal zu bilden?

 

Eigentlich ist es in keinem dieser Fälle die Frage, ob man sich weiterbilden soll – denn dass Lernen etwas grundsätzlich Gutes ist, etwas, das jedem Menschen selbst und der gesamten Gesellschaft hilft, kann gar nicht oft genug betont werden. So heißt es beispielsweise im Datenreport 2008 der Bundeszentrale für politische Bildung:

„Die Qualifikation der Bevölkerung ist von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, da neben der Ausstattung mit Bodenschätzen und Produktionsanlagen vor allem die Qualität der menschlichen Arbeitskraft (Humankapital) das Leistungsvermögen einer Volkswirtschaft bestimmt.“

In einer Welt, in der die subjektiv erlebte Zeit immer schneller und schneller voranschreitet, in der Schlagwörter wie Globalisierung und technischer Fortschritt Priorität haben, gilt es, das eigene Wissen auf der Höhe des Augenblicks zu halten.

Bildung ist aber auch eine soziale Frage geworden. Noch einmal der Datenreport:

„In modernen Gesellschaften wie der Bundesrepublik Deutschland ist eine Vielzahl von sozialen Berechtigungen und Lebenschancen an Bildung und den Erwerb von Bildungszertifikaten gekoppelt. Das an die Bildung geknüpfte Humankapital für den Arbeitsmarkt und ihren psycho-sozialen Kompetenzen für den Alltag – ist daher eine der unabdingbaren Ressourcen für die individuelle Wohlfahrt und für die Leistungs- und Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft.“

Bildung ist der Schlüssel zu Wohlstand und Zukunft: Das hat mittlerweile auch die Politik erkannt und schafft Qualifizierungsmaßnahmen, fördert Weiterbildungsinitiativen und plädiert allerorts für das lebenslange Lernen.

Was aber sind die handfesten Vorteile der Weiterbildung? Was nützt sie konkret?

Das wohl einleuchtendste Argument zum Thema Vorteile durch Weiterbildung benennt die Agentur für Arbeit, wenn sie sagt: Qualifizierte Arbeitskräfte sind seltener arbeitslos. Neueste Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft belegen dies: Nur ungefähr jeder zweite Geringqualifizierte (54 Prozent) hat einen Arbeitsplatz, während es bei den Qualifizierten in einzelnen Bundesländern bis zu 78 Prozent sind. Dem ist wenig hinzuzufügen. Weiterbildung birgt außerdem die Möglichkeit zu anspruchsvolleren Aufgaben, die im Idealfall auch besser bezahlt sind. Um mit den Worten der Bundesregierung zu sprechen:

Die Arbeitnehmer erhalten zusätzliche Aufstiegschancen, den Unternehmen bieten sich Wettbewerbsvorteile und bessere Zukunftsperspektiven.

Weiterbildung kann die Arbeit erleichtern und damit Produktionsprozesse verkürzen: Ein Beispiel hierfür ist das Produktions-Lern-System (PLS), das in Mannheim für das Motoren-Mercedes-Werk entwickelt wurde, und bei dem Arbeiter an ihrem Arbeitsplatz während der Arbeit Neues lernen oder Bekanntes wieder auffrischen können. Dem Fachkräftemangel ist ab sofort vorgebeugt durch qualifizierte Mitarbeiter im eigenen Unternehmen.

Weiterbildung verhilft zu mehr Selbstvertrauen: Eine Weiterbildung führt nicht nur mit größeren Chancen zu beruflichem Aufstieg, sondern auch zu persönlicher und privater Zufriedenheit. Wer weiß, dass er über mehr Wissen verfügt als andere, stellt sich darüber hinaus dem Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt ganz anders.

Wichtig ist: Warten Sie nicht einfach darauf, dass Ihr Chef Ihnen die Weiterbildung anträgt (ausgenommen im Fall der betrieblichen Weiterbildung, die immer von der Firma initiiert ist): Gehen Sie aktiv auf Ihren Vorgesetzten zu und unterbreiten ihm bereits ausgewählte Angebote, an denen Sie teilnehmen möchten! Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit ergab, dass 90 Prozent der teilnehmenden Führungskräfte diese Initiative ihrer Mitarbeiter begrüßen würden und die Arbeitnehmer dann unterstützen wollen. Denn laut der Befragung halten 90 Prozent der Arbeitgeber Weiterbildung für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Befragt wurden 1.000 Entscheider aus dem Bereich Weiterbildung und Personalentwicklung in Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern. Konträr dazu die Wünsche der Arbeitnehmer: Bei einer Umfrage im Auftrag der Personalfirma Randstad gab über die Hälfte der 800 Befragten an, sich mehr aktive Ansprache und Motivation von Seiten des Chefs zu wünschen.

Die Forscher sind sich heute einig, dass Menschen in jedem Alter lernfähig sind – nur die Art und Weise verändert sich. In einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins Quarks & Co schreibt der Autor Jakob Kneser:

„Jeder ist für sein Hirn selbst verantwortlich – jeder ist, was er aus seinem Hirn macht. Dr. Arne May, Neurowissenschaftler, vergleicht denn auch das Gehirn mit einem Muskel, der trainiert werden muss, wenn er nicht verkümmern soll, und zwar bis ins hohe Alter“.

Auch der Lern- und Altersforscher Christian Stamov (Jacobs University Bremen) warnt davor, sich der Selbststereotypisierung zu unterwerfen, die schon Menschen über vierzig nicht mehr als interessant für Weiterbildung betrachtet. Wenn man sich nicht bildet, verlernt man irgendwann zu lernen. Stamov versucht, den Nutzen von Weiterbildung von dem bloßen Verwerten zu trennen und sagt: Lernen ist eine Auseinandersetzung mit Anforderungen. Und Anforderungen gibt es im ganzen Leben – unabhängig vom Alter, unabhängig von der Berufstätigkeit. Dabei ist es gleich, ob es sich um eine neue Sprache, den Tanzkurs oder ein Instrument handelt. Es ist gleich, ob es sich um die Herausforderung der Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur, um die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschicklichkeit oder das Entdecken des eigenen Musikverständnisses geht.

Es spielt keine Rolle, ob man jung ist oder alt: Bildung ist für jeden etwas.